Bildung, Beteiligung, Begeisterung

Ich habe ein Gewerkschaftsherz“, sagt Anja Görlach. Und dieses Herz schlägt spürbar. Die Chemielaborantin war bereits Jugend- und Ausbildungsvertreterin bei Chemetall (heute Albemarle), bevor sie in den Betriebsrat gewählt wurde. Vor elf Jahren verließ sie das geliebte Labor, um sich als freigestellte Betriebsrätin mit ganzer Kraft für die Belegschaft einzusetzen.

Seit über dreißig Jahren ist Anja IGBCE-Mitglied, seit 2008 neben vielen weiteren Rollen auch Referentin. Vier bis sechs Seminare leitet sie jedes Jahr in Norddeutschland. Sie bildet Vertrauensleute aus und gibt ihr Wissen und ihre Erfahrung für Tarifverhandlungen weiter.

Mitmachen und einmischen

Die erste Aufgabe der Vertrauensleute lautet: Mitglieder gewinnen. Die brauche jede Tarifverhandlung im Rücken. Ihr Seminar, sagt Anja, biete ein Starterset für das gewerkschaftliche Engagement. Wie plane ich Aktionen? Wie spreche ich mit Mitgliedern? Nicht jede, nicht jeder engagiere sich sofort, das müsse man aufbauen, es brauche mehrere Kontakte. Wer Anjas Seminare besucht, erprobt das in Rollenspielen: Wie binde ich wen ein? Wer ist wofür verantwortlich?

„Tarifverträge lesen und verstehen“ und „Tarifführerschein“ heißen ihre vertiefenden Angebote. Jedes IGBCE-Mitglied kann sich anmelden. Der Tarifführerschein ist das einzige der mehr als 230 Seminare mit einer Prüfung. „Aber keine Angst“, sagt Anja, „darauf bereite ich alle perfekt vor. Wir lernen gemeinsam.“

Die Hobbytänzerin stellt sich auf jede und jeden partnerschaftlich ein, findet die passende Methode, rattert niemals nur Informationen herunter. Für Fachbegriffe entwickeln alle zusammen ein Abc, dann Lernkarten. Damit wird abends in der Kneipe geübt. Es sei noch niemand durch die Prüfung gefallen – trotz oder vielleicht dank fröhlicher Kneipenabende.

Anjas Themen sind oft eine Initialzündung. Gesetze gut zu kennen, das löse bei vielen Teilnehmenden einen Aha-Effekt aus. Man müsse wissen: Was sind meine Rechte? Was kann ich fordern? Welche Druckmittel habe ich?

Bildung als Kern der Gewerkschaft

Um Inhalte bestmöglich zu vermitteln, absolvierte Anja eine einjährige Ausbildung zur Referentin. Da ging es um übergeordnete Themen wie Neutralität oder Umgang mit schwierigen Teilnehmenden. Anja lernte, ZIM-Papiere (Ziel, Inhalt, Methode) zu entwickeln, um Seminare so zu strukturieren, dass alle Teilnehmenden bestmöglich profitieren.

„Die IGBCE ist mit hoch qualifizierten Referierenden exzellent aufgestellt“, weiß Anja. Jährlich lassen sich im Norden etwa ein Dutzend neue ausbilden. Das Kompetenzzentrum Bildung bucht dann passgenau aus seinem Pool von rund 800 Profis. „Spezielle Erfahrung aus der Praxis ist entscheidend. Wir haben eine bunte Mischung mit verschiedenen Schwerpunkten.“ Anja trifft sich jährlich im Referierenden-Arbeitskreis mit dem KomBi. Der Austausch über Methoden und Inhalte sei extrem wertvoll.