
Stellt das Mitglied ins Zentrum der Bildungsarbeit: Michael Vassiliadis
Foto: IGBCE / Stefan Koch
Mit Wissen voraus
Die IGBCE richtet ihre Bildungsarbeit neu aus – modern, flexibel und zukunftsgerichtet. Im Interview erklärt der Vorsitzende Michael Vassiliadis, wie daraus Wandel entsteht und Mitglieder gestärkt werden.
Michael, seit dem 1. Juli 2024 besteht das neue Kompetenzzentrum Bildung der IGBCE. Warum?
Wir erleben gewaltige Umbrüche – Digitalisierung, Dekarbonisierung, demografischer Wandel. Diese Entwicklungen verändern nicht nur die Industrie, sondern auch unsere Rolle als Gewerkschaft. Wenn wir zukunftsfest bleiben wollen, müssen wir verstehen, wie Wandel funktioniert – und wie wir ihn im Sinne der Beschäftigten gestalten. Hier setzt das Kompetenzzentrum an: Wir bauen die Bildungsarbeit der IGBCE konsequent neu auf.
Was heißt das konkret?
Wir richten die Bildungsarbeit stärker am Mitglied aus. Es geht nicht mehr nur um klassisches Betriebsverfassungs- oder Tarifrecht – das bleibt natürlich wichtig –, sondern auch um Themen wie digitale Kompetenz, politische Kommunikation, Nachhaltigkeit, strategische Projektarbeit. Wir qualifizieren Menschen, die die IGBCE vor Ort tragen: Betriebsräte, Vertrauensleute, Jugend- und Frauengremien.
Viele sprechen von Transformation und Strukturwandel. Welche Rolle spielt Bildung dabei für die IGBCE?
Wir wollen Transformation nicht stoppen, sondern gestalten. Dafür braucht es starke, kluge, selbstbewusste Leute. Menschen, die technologische und gesellschaftliche Entwicklungen verstehen, kritisch hinterfragen, sich vernetzen und austauschen. Bildung ist das Fundament dafür, dass wir als IGBCE handlungsfähig bleiben. Ohne Bildung keine wirksame Mitbestimmung, keine moderne Tarifpolitik, keine politische Schlagkraft und keine gewerkschaftliche Weiterentwicklung.
Gewerkschaftliche Bildungsarbeit klingt für manche vielleicht „old-fashioned“. Wie macht man sie attraktiv – gerade für Jüngere?
Indem wir das Beste aus „old-fashioned“ erhalten und mit neuen, modernen Ansätzen der Bildungsarbeit verknüpfen. Unsere Angebote müssen zu den neuen Lebensrealitäten der Menschen passen. Zeitlich flexibel, digital verfügbar, modular. Wir setzen, neben Präsenzseminaren, auf hybride Formate, Onlineseminare, digitale Lernplattformen. Und auf neue Inhalte: persönliche Entwicklung, Zukunftskompetenzen, Werteorientierung. Gerade jüngere Generationen suchen Sinnhaftigkeit, Gemeinschaft und Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn wir zeigen, dass wir das bieten, binden wir sie an die IGBCE – nicht nur kurzfristig, sondern auf Dauer.
„Bildung macht aus Mitgliedern Mitgestaltende.“
Michael Vassiliadis
Bildung ist also ein Instrument der Mitgliederbindung?
Absolut! Menschen erwarten heute mehr von einer Mitgliedschaft als früher. Tarifverträge sind wichtig, aber nicht alles. Wer bei uns Mitglied ist, soll spüren: Hier kann ich mich entwickeln, hier werde ich gesehen, hier bekomme ich Werkzeuge für meine berufliche und persönliche Zukunft. Bildung stiftet Identifikation, Zugehörigkeit und Sinn. Sie macht aus Mitgliedern Mitgestaltende.
Welche Rolle spielt Bildung mit Blick auf Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb?
Mitbestimmung lebt von Menschen, die Verantwortung übernehmen. Aber dafür braucht es Wissen und Werkzeuge. Unsere Leute in Betriebsräten oder Tarifkommissionen stehen vor komplexen Aufgaben: wirtschaftliche Entwicklungen einordnen, Strategien entwickeln, mit Geschäftsführungen verhandeln. Wenn wir wollen, dass sie das wirksam tun, müssen wir sie qualifizieren – fachlich, methodisch und persönlich. Bildung ist also keine Kür, sondern Voraussetzung für demokratische Teilhabe im Betrieb.
Vor welchen Herausforderungen steht die Bildungsarbeit?
Wir müssen schneller werden. Die Veränderungsgeschwindigkeit der Arbeitswelt ist enorm. Unsere Bildungsarbeit muss da Schritt halten – inhaltlich, technologisch, organisatorisch. Wir wollen aber nicht nur reagieren, sondern vorausschauen: Welche Kompetenzen brauchen Beschäftigte in Zukunft? Welche Fragen stellen unsere Mitglieder in der nächsten Tarifrunde? Das Kompetenzzentrum soll der Ort sein, an dem wir Zukunftsfragen diskutieren und in Lernformate übersetzen.
Das klingt nach einer umfassenden Transformation der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Wie nimmt man die Akteur*innen dabei mit?
Indem wir gemeinsam gestalten und auf Beteiligung setzen – mit Bezirken, Betrieben, Referentenarbeitskreisen, Jugend, Hauptamtlichen. Wir hören zu, sammeln Erfahrungen – auch Kritik –, testen Formate. Wir investieren in die Strukturen – von der Modernisierung der Tagungsstätten bis zur Qualifizierung unserer Referent*innen. Bildung ist keine Insellösung, sondern Teil der Gesamtstrategie.
Ein letzter Satz, warum wir in Bildung investieren müssen.
Bildung ist ein Zukunftsversprechen an die Mitglieder – sie macht uns als Organisation stark, hält uns handlungsfähig und verbindet uns mit den Menschen, für die wir jeden Tag kämpfen.